Nr. 085: Stadtgartendirektor fragt beim Stadtbaurat im November 1945 nach
Der „Alte Reitweg“ führt quer durch den KGV Mutterkamp bzw. „scheidet“ die „Parzelle Nußberg“. Deshalb kommt es ja zu Diebstählen! Wie ist der „Reitweg“ ursprünglich entstanden? Wer darf entscheiden, dass der Weg aufgehoben und stattdessen bewirtschaftet werden darf?
Der neue Landesverbandsvorsitzende Mädge war in der „Jahresversammlung am 29. 1.49. im Restaurant ,Schimmel‘“ erstmals begrüßt worden (29.01.1949, PB I, S. 58–61, hier S. 58). Im Oktober 1949 lässt er sich die „Grenzen der Kolonie in den vergangenen Jahren“ erläutern. Dazu gehört allerdings nicht nur der Grabelandstreifen an der Eisenbahn, nein, sondern auch der sog. Alte Reitweg, „da ja die Kolonie durch den Reitweg bekanntlich in 2 Teile geteilt war“ (23.10.1949, PB I, S. 71)
„Grenzweg“ zwischen „Parzelle Nußberg“ und „Parzelle II (Mutterkamp)“
Die Kleingärtnernden sind unzufrieden. Zum einen wurden 1941 die KGV Soolanger, Nußberg und Mutterkamp von der Stadtverwaltung zu einer Einheit (zwangs-)erklärt. Zum anderen duldet die Stadt (aber), dass ein Reit-/Fußweg diese Einheit „Parzelle Nußberg“ durchzieht. Ein „Grenzweg“ hat sich zwischen der „Parzelle Nußberg“ und der „Parzelle II (Mutterkamp)“ herausgebildet. Darüber gelangen „Unbefugte“ in die Kolonie hinein, woraufhin es zu Diebstählen kommt.
Landesweit kam es im März 1940 zwar zu einer „Brach- und Grabelandaktion“ (vgl. BDG 1996, S. 77). Doch die Kleingärtnernden des KGV Mutterkamp wollen sich erst nach Mai 1945 aufgefordert gesehen haben, den Reitweg (eigenmächtig) aufzuheben, indem sie ihn bewirtschafteten. So geht es aus einem Brief ans Stadtgartenamt vom Mai 1946 hervor. Die Vereinsleitung will sich ab Mai 1945 schriftlich an den Leiter der „Brachlandstelle“ gewandt haben, um das Vorgehen der „Vereinleibung“ des Reiterwegs nach Kriegsende zu „legalisieren“. 1944 und 1945 gibt es keine Vereinsprotokolle, also blieben im „Amt“: „Parzellenführer“ Glaser, Nr. 117, vertreten von Gfr. Schrader, Nr. 69 (vgl. 07.03.1943, PB I, S. 35–36, hier S. 35); Schriftführer Meyer, Nr. 16 (vgl. 21.07.1941, PB I, S. 31), vertreten durch Gfr. Eversheim als „2. Schriftführer“, Nr. 86 (vgl. 12.04.1942, PB I, S. 32–34, hier S. 33).
Kolonie Nussberg-Mutterkamp hebt Grenzweg „unbefugt“ auf – Diebstähle als Begründung – Darf Brachlandabteilung Alten Reitweg (zur Bewirtschaftung) freigeben?
Nicht nur in der Verwaltung des Landes Niedersachsen herrschen nach dem Zweiten Weltkrieg „chaotische Zustände“. Die britische Militärregierung und die amerikanische sind sich uneins, wer im Braunschweiger Staatsministerium amtieren und also Nachkriegsministerpräsident des Freistaats Braunschweig werden soll, ehe dieser im November 1946 (sowieso) im Land Niedersachsen aufgehen sollte. Auch die Braunschweiger Stadtverwaltung und – für diesen Blog interessant – das Stadtgartenamt muss sich nach dem Ende der NS-Diktatur (erst) neu sortieren.
Also fragt der Stadtgartendirektor am 24. November 1945 zunächst den Stadtbaurat: Dürften die KGV Mutterkamp und Nussberg denn den Reitweg und Fußweg, „der die beiden Kolonien scheidet“, einfach aufheben und bewirtschaften? Und dürfe die Brachlandabteilung die Aufhebung des Reit- und Fußwegs entscheiden, „ohne irgendeine Dienststelle zu befragen“? Der Stadtgartendirektor äußert seine Irritation: „Herr Zirkel [von der Brachlandabteilung] hält sich im Aufgabenkreis der Brachlandbewirtschaftung für befugt[,] derartige Massnahmen durchzuführen.“
Stadtgartendirektor fragt bei Stadtbaurat nach: Wer ist zuständig? Ist Aufhebung des Wegs sinnvoll?
„Es wäre grundsätzlich zu entscheiden, ob die Reitwege in dieser Form aufgehoben werden sollen, um diese der Bewirtschaftung zuzuführen.“ (Vermerk Wegaufhebung / Befugnis Brachlandabteilung, 1945) Der für unseren Blog entscheidende Punkt: „Als Gründe Sollen seitens der Gartenvereine Diebstähle geltend gemacht sein“. In der Folge würde nun auf dem Fußweg geritten, „der am Fusse der Böschung der Hindenburgallee [heutigen Ebertallee] entlang führt“ (Vermerk Wegaufhebung / Befugnis Brachlandabteilung, 1945) – also parallel zur im November 1937 „eingeweihten“, durch den Prinzenpark führenden „Prachtstraße“ zwischen „Luftflottenkommando“ und „Jägerhof“.
Quellen:
- Protokollbuch I (1935–1962): Schrebergartenverein Mutterkamp 1935–1962. Handschriftliches Manuskript / Transkription. Archiv KGV Mutterkamp, 192 Seiten. (PB I)
- Stadtgartendirektor (24.11.1945): „Vermerk Hd. von Herrn Stadtbaurat Göderitz“. 1 DIN-A5-Seite. Stadtarchiv Braunschweig. (Vermerk Wegaufhebung / Befugnis Brachlandabteilung, 1945)