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Nr. 073: Zum 6. Juni 1945 muss sich die „Parzelle Nußberg“ auflösen

Nr. 073: Zum 6. Juni 1945 muss sich die „Parzelle Nußberg“ auflösen

Ist der Mutterkamp mit den Flucht- und Luftschutzstollen im Nussberg unterirdisch verbunden? – In der Kriegszeit und danach tragen Kleingärten zur Ernährung der Bevölkerung bei.

Wenn man den Lageplan der Luftschutzstollenanlage im Nussberg (1967; nach Ernst 2006, S. 153) mit Lageplänen der Mutterkampkolonie vergleicht und abzugleichen versucht (Stadt Braunschweig 2015), dann lässt sich immerhin vermuten: Die in der Nähe der Ebertallee – also ganz südlich – gelegenen Ausgänge/Zugänge des Luftschutzstollensystems endeten an den Bahngleisen der Strecke Richtung Gifhorn. Ein Ausgang/Zugang jenseits der Gleise – diesseits zur heutigen Straße „Am Nußberg“ – könnte sich somit visavis des Gartens Nr. 90 befunden haben (sowie die östlicher gelegenen Ausgänge/Zugänge gegenüber von Garten-Nr. 158 (Gang 8) und Garten-Nr. 159 (Gang 9) des KGV Nußberg).

Luftschutzstollen endet gegenüber des Gartens mit der Nr. 90

„Altvordere“ Gartenfreunde mutmaß(t)en, dass es unter den Eisenbahngleisen hindurch einen unterirdischen „Geheimgang“ zwischen dem KGV Mutterkamp und dem „Nussbergbunker“ gegeben haben könnte. Der „Experte“ für den Nußberg, B. Warnecke, widerspricht dieser Theorie: „Den einzigen unterirdischen Gang[,] den es im Nußberg wirklich gibt[,] ist ein 90 Meter langer Fluchtstollen[,] der aus dem Kreisbefehlsstand in Richtung Norden führt“ (Warnecke 2005, S. 5), also in Richtung „Luftflottenkommando“. Befinden sich dort Geheimgänge und/oder sind darin unterirdische Räume? Warneckes Antwort: „Einen richtigen Bunker hat es in den Gebäuden nie gegeben. Nach Studium der Bauunterlagen [durch Warnecke] gab es lediglich im Trakt A und C Räume[,] die mit Stahlplatten gegen Bombensplitter und Granaten gesichert waren.“ (Warnecke 2005, 2, S. 5)

1943, S. 35. Protokollbuch I (1935–1962): Schrebergartenverein Mutterkamp 1935–1962. Handschriftliches Manuskript / Transkription. 192 Seiten. Archiv KGV Mutterkamp e. V. (PB I)
1943, S. 36/37. Protokollbuch I (1935–1962): Schrebergartenverein Mutterkamp 1935–1962. Handschriftliches Manuskript / Transkription. 192 Seiten. Archiv KGV Mutterkamp e. V. (PB I)

„Verwunderlicher“ Geheimgang durch sumpfiges Gebiet?

Der „Spezialist“ in der Heimatpflege für den Nußberg schreibt weiter: „Am Verwunderlichsten ist die Behauptung, dass es einen Geheimgang zwischen dem ehemaligen Kloster Riddagshausen und den Nußbergbunkern gäbe. Das Kloster wurde vor ca. 860 Jahren erbaut und existiert bereits seit 450 Jahren nicht mehr. Solch ein Gang durch das Sumpfgebiet wäre auch unmöglich gewesen. Wir Menschen neigen leicht zu mystischen Dingen, besonders wenn es sich um Höhlen oder unterirdische Gänge handelt. So etwas fasziniert uns wohl immer wieder.“ (Warnecke 2005, 2, S. 5) Jedenfalls hatte unter dem Beobachtungsbunker am Abend des 11. April 1945 eine letzte Krisensitzung der „Kreisleitung“ in der Kreisbefehlsstelle stattgefunden (vgl. Ernst 2006, S. 164).

1943, S. 38 und 1946, S. 39. Protokollbuch I (1935–1962): Schrebergartenverein Mutterkamp 1935–1962. Handschriftliches Manuskript / Transkription. 192 Seiten. Archiv KGV Mutterkamp e. V. (PB I)
1949, S. 64/65. Maschinenschriftliches Protokoll neben handschriftlichem Protokoll. Protokollbuch I (1935–1962): Schrebergartenverein Mutterkamp 1935–1962. Handschriftliches Manuskript / Transkription. 192 Seiten. Archiv KGV Mutterkamp e. V. (PB I)

(Auch) Die „britische Militärregierung“ pflanzt Gemüse an

Am 12. April 1945 erreichten die alliierten Truppen Braunschweig, die Stadt war zu 52 % zerstört (Hauptmeyer 2004, S. 123). Am 8. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht bedingungslos. Die amerikanischen und britischen „Besatzungstruppen“ bestimmten die politisch-administrativen Verhältnisse in Braunschweig, ehe die Stadt ab dem 5. Juni 1945 zur britischen Zone gehörte, weil die Briten die alleinige Verwaltung übernahmen (vgl. Biegel 2020, S. 3). Dementsprechend war es die britische Militärregierung, die am 6. Juni 1945 verordnete, die „Parzelle Nußberg“ aufzulösen. Sie beschlagnahmte das Gelände und die Gebäude des ehemaligen „Luftflottenkommandos“, benannte es in „Yorkshire Barracks“ um und riegelte es einschließlich großer Teile des Franzschen Feldes als Sicherheitszone mithilfe von Stacheldraht ab (vgl. Warnecke 2006, S. 93). Englische Offiziere und Verwaltungspersonal bezogen Wohnhäuser im „Fliegerviertel“. Interessant für diesen Blog ist die Information, dass die britische Militärregierung am Rande des Nussbergs nicht nur ein Kricketfeld anlegte, sondern auch einen umfangreichen Gemüsegarten (vgl. Warnecke 2006, S. 93).

Quellen: