Nr. 071: Keine (Niederschriften über) Vereinsversammlungen 1944/45
Wohin flüchten die Kleingärtnernden bei Fliegerangriffen? Am Südhang des Nussbergs entsteht ab November 1943 der „Kreisbefehlsstand“. Ab Frühjahr 1944 folgt im Ostteil des Nussbergs der Luftschutzstollen.
Wo fanden die Kleingärtnernden der Vereine Mutterkamp, Nussberg, Soolanger bei Luftangriffen Schutz? Wie konnten sie die Eisenbahnstrecke sicher überqueren? „Am 27.09.1943 wurde Riddagshausen bei einem Bombenangriff schwer getroffen, bei dem 14 Riddagshäuser Bürger und zehn polnische Zwangsarbeiter ums Leben kamen.“ (Braunschweigische Landschaft 2019, S. 58 f.) Auf dem Südhang des Nussbergs im Bereich der alten Rodelbahn hatten Kriegsgefangene ab November 1943, „unter menschenunwürdigen Bedingungen rund um die Uhr angetrieben“ (Ernst 2006, S. 154; S. 158), die sog. „Kreisbefehlsstelle“ entstehen lassen: „Nachts erhellte auch hier die Baustelle ein gleißendes Scheinwerferlicht, und nur bei Fliegeralarm versank alles in Dunkelheit.“ (Ernst 2006, S. 158)
Auf alter Rodelbahn: „Kreisbefehlsstand“ mit unterirdischen Polizei-, Partei- und Fluchtstollen
Der „Kreisbefehlsstand“ setzte sich aus einem oberirdischen Beobachtungsbunker – dessen vorderer Teil ist heute Aussichtsplattform – und unterirdischen „Befehlsbunkern“/Stollen zusammen, dazwischen Verbindungswege und betonierte Treppenhäuser. Die „Befehlsbunker“ lagen weiter östlich und tiefer in der Nussbergschlucht und beinhalteten Dienststellen der NSDAP, der Polizei und der Stadtverwaltung/Fluchtstollen; die Deckenhöhe betrug zwischen 2,40 bis 2,80 m, die Gangbreite zwischen 1,80 und 4,50 m. Während vom „Parteistollen“ Funktions-, Versorgungs- und Sanitärräume zu erreichen waren, bedurfte es eines besonderen Ausweises, um den „Polizeistollen“ betreten zu dürfen. Das städtische Vermessungsamt verantwortete den Bau der gesamten Anlage (vgl. Ernst 2006, S. 157–165).
Kriegsdienstverpflichtete Schülerinnen unterstützen beim Funken.
Von jenem „Kreisbefehlsstand“ aus führten die Akteure rund um die Uhr folgende Dienste durch: „Auswertung“ von verschlüsselten Luftlagemeldungen, „Vermittlung“, „Fernschreiben“ – die meisten Meldungen kamen nicht über Funk und Telefon, sondern über Fernschreiber –, „Funken“, „Drahtfunk“ und „Alarmgebung“ – die 58 Sirenen im Stadtgebiet wurden von hier ausgelöst (vgl. Ernst 2006, S. 162–163). Beziehungsweise ließen die Akteure diese Dienste durchführen, denn als Funkerinnen und Fernmeldehelferinnen wurden 16- bis 18-jährige Schülerinnen kriegsdienstverpflichtet. Sie kamen während der 48-stündigen Dienstzeiten in einer eigens errichteten Wohnbaracke auf der Tribüne des Thingplatzes unter.
Infrastruktur problematisch: Fußweg von der Waldgaststätte am Nußberg, Zufahrt von der Ebertallee
Wie war die Infrastruktur? „Die verkehrsmäßige Erschließung [der Partei- und Polizei-]Stolleneingänge erwies sich als unzulänglich [deren Zugänge waren seit Mitte 1944 durch die SA bewacht, gleichfalls die verbunkerten oberirdischen Eingänge zum Beobachtungsbunker]. Zwar wurde der alte Fußweg von der Waldgaststätte am Nußberg zum Thingplatz etwas ausgebaut, für schwere Fahrzeuge blieb er jedoch ungeeignet. Hierfür gab es allenfalls eine Zufahrt von der Ebertallee in das Thingplatzgelände unterhalb der Stollen. Man behalf sich mit einer Holztreppe, die vom Eingang des Parteistollens nach unten führte.“ (Ernst 2006, S. 161).
Quellen:
- Die Braunschweigische Landschaft (2019) (Hrsg.): Das Braunschweigische Land im Nationalsozialismus. Ausstellungskatalog. Online: https://www.braunschweigischelandschaft.de/fileadmin/user_upload/bl/news/Heimatpfleger/Nationalsozialismus/711053_BL_Katalog_Web.pdf [04.10.2022]
- Ernst, Wolfgang (2006): ÜberLebensorte – Bunker in Braunschweig von der Planung bis zur Gegenwart. Braunschweig: Appelhans.