Nr. 069: „Richtlinien zur Steigerung der Erträge“
„Parzelle Nußberg“ umfasst jetzt mind. 352 Gärten – Versammlung in der Schulaula – Vereinsleben in „Zelle II“ speist sich aus guten Taten wie aus unliebsamen Handlungen.
Das Klientel der „Parzelle Nußberg“ mit insgesamt mindestens 352 Gärten ist jetzt sehr viel größer (Mutterkamp: 118 Gärten plus Soolanger: 53, Nußberg: 181; vgl. Klaffke 1974). Dementsprechend findet die Jahresversammlung vom 12. April 1942 in der Aula der Hoffmannschule statt. Ist damit die ehemalige „Städtische Oberrealschule Hintern Brüdern“ gemeint, die 1941 in „Hoffmann-von-Fallersleben-Gymnasium“ umbenannt worden war? Um einen Überblick zu bekommen, wer alles da ist, wird immerhin wie folgt verfahren: „Feststellung der anwesenden Mitglieder durch Abgabe des Abrisses von der Tagesordnung.“ (12.04.1942, PB I, S. 32–34, hier S. 32)
Gfr. Thies „begrüßte insbesondere den Landesobmann [X], den Bezirksobmann [X] und alle neuen Kameraden. Er gedachte der zum Heersdienst eingezogenen Kameraden, der im Kriege gefallenen Angehörigen unserer Kameraden und der durch Bombenwurf zu Tode gekommenen unter Begleitung des Liedes: ,Ich hatt’ einen Kameraden.‘“ (12.04.1942, PB I, S. 32–34, hier S. 32)
Sommer 1939: Ankauf Vereinshaus des KGV Wiesengrund – jenes „Behelfsheim“ erhält 1941/42 Erweiterungsbau, der einen „nette[n] Eindruck“ macht.
Die Chroniken 1960/1985/1995 meinen mit dem Hinweis aufs erste Vereinsheim, das in schwerster Zeit, während des Krieges, geschaffen worden sei, wohl den eigenständig errichteten „Erweiterungsbau“ des im Sommer 1939 angekauften und herbeigeschafften alten Vereinshaus[es] des Gartenvereins Wiesengrund („Behelfskantine“). In der Versammlung vom 12. April 1942 fallen demgemäß (lobende) Worte: „Anerkannt wird der Erweiterungsbau unseres Heimes, welches einen netten Eindruck macht.“ (12.04.1942, PB I, S. 32–34, hier S. 32)
Die Chroniken 2005, 2010 und 2015 erzählen die Entwicklung anders – ich weiß nicht, warum, denn diese Info wirkt falsch angesichts des Protokolls zur Versammlung vom 12. April 1942: 1936 wurde das erste Gartenfest in einem Zelt gefeiert. Dort wurde der Gedanke aufgegriffen, ein Vereinsheim zu bauen. Fachleute setzten sich zusammen und 1938 konnte schon im neuen Heim gefeiert werden. In der Versammlung vom 12. April 1942 fallen weitere lobende Worte: „Die Wege sind in guter Ordnung, desgl die Anschlagkästen.“ (12.04.1942, PB I, S. 32–34, hier S. 32)
Die „Kleingartenbebauer“ sollen „Doppelernten“ anstreben.
Erneut auf die Optik der Anschlagkästen zu verweisen, hat einen tieferen Grund, denn 1942 gab es weder Rundmails noch Chatgruppen: „Es wurden Richtlinien zur Steigerung der Erträge gegeben. Dieselben sollen in den Anschlagkästen ausgehängt worden, damit sie allen Kameraden zugängig sind.“ (12.04.1942, PB I, S. 32–34, hier S. 33) „Der Landesobmann [X] dankt Thies [O. Thies, dem Vereinsführer der „Parzelle Nußberg“ bzw. dem „Vereinsleiter“ ab 1942], der in geschickter Weise die 3 Parzellen vereinigt hat und leitet. Er führte aus, daß der Reichsbauernführer [NSDAP-Agrarpolitiker und SS-Funktionär R. W. Darré] von den Kleingartenbebauern forderte, ihre Erträge zu steigern und damit zum [,]Endsiege[ʻ] beizutragen. ¼ To des Bodens nehmen die Flächen der Kleingärten ein und erzeugen 14 % des Gemüseertrages. Die Steigerung soll geschehen durch Doppelernten. Die Blumenbeete müssen zurücktreten und die Rasenflächen verschwinden zugunsten des Gemüsebaues.“ (12.04.1942, PB I, S. 32–34, hier S. 33)
Quellen:
- Klaffke, Kaspar (1974): Kleingärten. Analyse des Braunschweiger Kleingartenwesens. Braunschweig: Stadt Braunschweig, hier „Tab. 8.2 Verzeichnis der Kleingartenanlagen in der Stadt Braunschweig nach Name des Vereins, Organisation, Gründungsjahr, Anzahl der Parzellen und Flächengröße sowie verschiedenen anderen für die Planung wichtigen Strukturmerkmalen“, S. 74–80
- Protokollbuch I (1935–1962): Schrebergartenverein Mutterkamp 1935–1962. Handschriftliches Manuskript / Transkription. Archiv KGV Mutterkamp, 192 Seiten. (PB I)
- Synopsis Vereinschroniken (2024): Vereinschroniken des KGV Mutterkamp von 1960, 1985, 1995, 2005, 2010, 2015. Archiv KGV Mutterkamp. (Tabelle Vereinschroniken, 2024)