Menü Schließen

Nr. 061: Hauptsache feste Wege

Nr. 061: Hauptsache feste Wege

Erst die Hauptwege! Ans Trinkgeld für die Kutscher denken! – Obwohl der Weg zur Vereinskantine erst 1949/50 aufgeschüttet wird: Aus dem Gelände des KGV Mutterkamp war zum Jahreswechsel 1935/36 „ein festes Gefüge geworden“.

Kibbat, Willy (1946): An den Vorstand des Gartenverein „Mutterkamp“. Bitte um Genehmigung eines massiven Bienenstands mit Kellerung in Nr. 20. Stadtarchiv Braunschweig: E 32,1 Nr. 341.17 (A3-941/56 33/46); E 63, 267–270, Akz. 2008/167, Hefte 1–4; E 67: 158 (67–323) Foto: Archiv KGV Mutterkamp e. V.
Peake, J., C. T. A., Building Control Officer, Building Industries, HQ.Mil.Gov.Land Brunswick: Genehmigung. Stadtarchiv Braunschweig: E 32,1 Nr. 341.17 (A3-941/56 33/46); E 63, 267–270, Akz. 2008/167, Hefte 1–4; E 67: 158 (67–323)Foto: Archiv KGV Mutterkamp e. V.

Vor der Bitumendecke geht es also um Bockasche. Im November 1935: „Es wird angeregt, erst die Hauptwege mit einer Bockascheschicht zu versehen, um ihren augenblicklichen Zustand zu bessern.“ (13.11.1935, PB I, S. 9–11, hier S. 11) Im Januar 1936: „Um die Belieferung mit Bockasche im Gange zu erhalten, müssen die Beiträge für das Trinkgeld der Kutscher bezahlt und umgehend an G.F. Glaser mitentrichtet werden.“ (11.01.1936, PB I, S. 12–14, hier S. 13) Im Februar 1936: „Es wird über die Bockaschebelieferung und über die Torschlösser gesprochen.“ (12.02.1936, PB I, S. 14–16, hier S. 16) Im November 1936: Unter „Verschiedenes“ tauscht man sich über die „Ordnung in den Wegen und auf dem Wendeplatz, die Belieferung mit Bockasche“ aus. (23.11.1936, PB I, S. 18–19, hier S. 18, unterstrichen im Original)

… „aber Bockasche fehlt!“

Im Februar 1950: „Der Weg nach dem Vereinshause ist aufgeschüttet worden. Bockasche war schwer zu kriegen“ (04.02.1950, PB I, S. 72–74, hier S. 72) Ein Jahr später, im Februar 1951: „Die Aufschüttung der Gartenwege konnte nicht restlos erledigt werden, da Bockasche fehlt und kaum zu beschaffen sei.“ (18.02.1951, PB I, S. 78–81, hier S. 78) „Es müsse noch vieles nachgeholt werden, insbesondere die Gartenwege, aber Bockasche fehlt! Hierzu erbot sich Gfr. Gerh. Hopstock bereit einen Lastwagen voll Bockasche zu besorgen.“ (18.02.1951, PB I, S. 78–81, hier S. 79) Es brauchte letztlich (mindestens) vier Wagenladungen/Fuhren, wie im Geschäftsbericht von 1955/56 nachzulesen ist, den der „Gartenwart“, Gfr. Hopstock, Nr. 81, verfasst hat: „Die Hauptwege wurden durch 4 Fuder Bockasche für den Winter gehbar gemacht.“ (Geschäftsbericht 1955, S. 1)

Historische Baupläne (1946): Nr. 20 / Willy Kibbat. Bienenstand / Bee-house. Grundriss. Stadtarchiv Braunschweig: E 32,1 Nr. 341.17 (A3-941/56 33/46); E 63, 267–270, Akz. 2008/167, Hefte 1–4; E 67: 158 (67–323) Foto: Archiv KGV Mutterkamp e. V.
Historische Baupläne (1946): Nr. 20 / Willy Kibbat. Bienenstand / Bee-house. Seitenansicht. Stadtarchiv Braunschweig: E 32,1 Nr. 341.17 (A3-941/56 33/46); E 63, 267–270, Akz. 2008/167, Hefte 1–4; E 67: 158 (67–323) Foto: Archiv KGV Mutterkamp e. V.

„Alt und Jung sind beseelt, aus dem Ackerland gutes Gartenland zu schaffen“.

Der Blick ins Redemanuskript von 1951, anlässlich der 20-Jahr-Feier, ist hilfreich, um sich in die Gründungszeit des KGV Mutterkamp zurückzuversetzen, ohne die erzwungene „Mischkultur“ mit der damaligen agrarpolitischen „Blut und Boden“-Ideologie (vgl. Appel/Grebe/Spitthöver 2011, S. 29) aus den Augen zu verlieren: „Mit der Inbesitznahme des Geländes und Übernahme der hohen Kosten begaben sich alle Gründungsmitglieder uneigennützig an die notwendigen Arbeiten. Die Hauptsache war, feste Wege anzulegen, damit die einzelnen Gärten zu erreichen waren. Diese Arbeiten haben Monate in Anspruch genommen, waren doch fast alle Gartenfreunde beruflich tätig und konnten nur ihre Freizeit verwenden. Trotzdem sind alle Arbeiten gemeistert[,] und zwar voller Einmütigkeit. Es war eine Freude, zu sehen, wie Alt und Jung gemeinsam schafften und von nur einem Willen beseelt waren, aus dem Ackerland gutes Gartenland zu schaffen.“ (Redemanuskript, 20 Jahre, 1951, S. 3)

Historische Baupläne (1946): Nr. 20 / Willy Kibbat. Bienenstand / Bee-house. Lageplan. Stadtarchiv Braunschweig: E 32,1 Nr. 341.17 (A3-941/56 33/46); E 63, 267–270, Akz. 2008/167, Hefte 1–4; E 67: 158 (67–323) Foto: Archiv KGV Mutterkamp e. V.

„Mit Zuversicht blickten alle auf das kommende Jahr 1936“.

„Als das Jahr 1935 seinem Ende entgegen ging, konnten alle Gartenfreunde mit Genugtuung feststellen, daß das Gelände des Gartenvereins Mutterkamp ein festes Gefüge geworden war. Mit Zuversicht blickten alle auf das kommende Jahr 1936, in dem der bedauerliche Ernteausfall des Jahres 1935 entsprechend ausgeglichen werden konnte. Dank dem unermüdlichen Schaffen aller Gartenfreunde wurde auch im nächsten Jahr schon ein bedeutender Fortschritt erzielt.“ (Redemanuskript, 20 Jahre, 1951, S. 3)

Erst in der Rückschau scheinen sich die Gemüter „beruhigt“ zu haben. Der Geschäftsbericht 1935 für die Zeit von Mai 1935 bis Januar 1936 liest sich (nämlich noch) wie ein Best-Practice-Bericht im umgekehrten Sinne. Womöglich musste das Ansinnen des städtischen Hochbaumts, eine Kleingartenkolonie vom Anstrich bis zum Zaun lenken zu wollen – vor dem Hintergrund einer Ideologie –, (schlicht) an der Realität scheitern? Es lässt sich vielleicht nicht alles bis ins Detail von oben lenken – als Kleingärtnerin und Kleingärtner muss man ja auch ausprobieren, an welcher Stelle des Gartens diese oder jene Pflanze gedeiht (oder auch nicht).

Quellen:

  • Protokollbuch I (1935–1962): Schrebergartenverein Mutterkamp 1935–1962. Handschriftliches Manuskript / Transkription. Archiv KGV Mutterkamp, 192 Seiten. (PB I)
  • Appel, Ilka und Christina Grebe und Maria Spitthöver (2011): Aktuelle Garteninitiativen. Kleingärten und neue Gärten in deutschen Großstädten. Kassel. Online: https://www.uni-kassel.de/upress/online/frei/978-3-86219-114-7.volltext.frei.pdf [06.10.2023]
  • Redemanuskript (1955): „Zur 20-jährigen Gründungsfeier der Gartenkolonie ,Mutterkamp‘!“ Ohne Verfasser:in. Archiv KGV Mutterkamp, 4 Seiten. (Redemanuskript, 20 Jahre, 1955)