Nr. 054: Einrichtung einer Musterkolonie kostet viel Geld.
Gilt die Außenumzäunung und Inneneinzäunung als gemeinschaftliche Anlage? Wer hat sie beauftragt? Der Drahtwarenfabrikant betrachtet die Türen als Zulage zum Zaun. Der Gartenverein möchte die Türen von den Zaunkosten abziehen. – Und kommen da Kaninchen unten durch?
In den Chroniken 1960, 1985, 1995 ist für die Zeit nach dem „Parzellenverlosungstag“ am 16. März 1935 und der sich anschließenden Urbachmachung des Domänenlandes zu lesen: Doch die ersten Sorgen lassen nicht lange auf sich warten; denn die Einrichtung einer Musterkolonie kostet viel Geld. Für den Außenzaun sind über 4000,‒ RM [fast 1000 Euro] aufzubringen, für die Inneneinzäunung das Doppelte dieser Summe [ca. 2000 Euro] und 6 Brunnen sollen innerhalb kürzester Zeit gebohrt und mit fast 1000,‒ RM [ca. 243,90 Euro] bezahlt werden. Jeder Garteninhaber beteiligt sich mit über 100,‒ RM [ca. 24 Euro] an den gemeinschaftlichen Anlagen. Dazu kommt für jeden die Aufstellung eines Gartenhäuschens, das als Außenwand mit Nut- und Federbrettern senkrecht verkleidet werden soll sowie die Beschaffung der Pflanzungen. Es sind also erhebliche Opfer, die unsere Gartenfreunde auf sich genommen haben und den meisten von ihnen sind die monatlichen Abschlagszahlungen sehr schwer gefallen.
In der 20-Jahre-Rückschau von 1955 steht zum „Zaunthema“: „Dieser Auftrag war von Dippold an den Drahtwarenfabrikanten Gerlich weitergegeben und brachte den Gartenfreunden hohe Unkosten.“ (Redemanuskript, 20 Jahre, 1951, S. 3) Hatten sich die Kleingärtnernden komplett lenken lassen müssen? Mussten sie jenem Zaunanbieter zustimmen, den der „Führer“ des dt. Kleingärtner- und Kleinsiedlerreichsbunds auf Gauebene (Landesebene) vorsah?
… einheitlich unterfüttern wegen Kaninchen …
Das Thema „Zaun“ zieht sich jahrelang durch die Niederschriften der Vereinsversammlungen. Schon im Protokoll vom 2. August 1935 ist zu lesen: „Die Hauptumzäunung soll einheitlich unterfüttert werden, damit Kaninchen etc. ferngehalten werden. In welcher Weise dieses geschehen [soll], beschließt der Gesamtvorstand.“ (02.08.1935, PB I, S. 4–6, hier S. 5) Im September 1935 ist dezidiert von Problemen mit dem Zaunanbieter die Rede: „b) Die mit der Fa. Gerlich bestehenden Differenzen hinsichtl. der Einzäunung der Gärten will der Vereinsführer, G.-F. Peters, beheben. c) Der Vereinsführer ermahnt ganz besonders zur Instandhaltung der Umzäunung, Bohnenkraut, Dünger und Behäufelung mit Erde sind sofort zu entfernen.“ (11.09.1935, PB I, S. 7–8, hier S. 7) Was bedeutet die Bemerkung unter Punkt c? Waren die Zäune „widerrechtlich“ als Rankhilfen genutzt worden?
… städtisches Hochbauamt hatte Art der Umzäunung vorgeschrieben …
Die NS-Vorstellung „Musterkolonie Mutterkamp“ fordert die Geduld und finanziellen Möglichkeiten der ehemaligen Kleingärtnernden der Heinrichstraße heraus. Otto Bennemann erinnerte sich 1983 (nach Bein 1985, S. 150): „Auch bei uns hatten manche ihre Parzelle eingezäunt, weil sie sich absichern wollten … Wir hatten einen Nachbarn, das war ein Zimmermann mit Familie, der seinen Garten mit Eichenpfählen eingezäunt hatte.“
Quellen:
- Redemanuskript (1955): „Zur 20-jährigen Gründungsfeier der Gartenkolonie ,Mutterkamp‘!“ Ohne Verfasser:in. Archiv KGV Mutterkamp, 4 Seiten. (Redemanuskript, 20 Jahre, 1955)
- Protokollbuch I (1935–1962): Schrebergartenverein Mutterkamp 1935–1962. Handschriftliches Manuskript / Transkription. Archiv KGV Mutterkamp, 192 Seiten. (PB I)
- Bein, Reinhard (1985): Braunschweig. Stadt und Herzogtum 1890 – 1918. Materialien zur Landesgeschichte. Braunschweig: Döring.