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Nr. 048: Auf der Suche nach verschollenen Vereinsunterlagen

Nr. 048: Auf der Suche nach verschollenen Vereinsunterlagen

„Pg.“ steht für „Parteigenosse. Ein „Pg.“ steht dem KGV Mutterkamp nicht nur 1935/36 vor, sondern auch 1951–1953. Daher weiß dieser Gfr. ganz genau, in der Gründungszeit eine „Hauptakte“ angelegt zu haben.

Im zweiten Protokoll nach Vereinsgründung (16.07.1935) steht mit dezidiertem Hinweis „Pg.“ für Parteimitgliedschaft: „Sodann wurde bekanntgegeben, daß an Stelle des bisherigen Vereinsvorsitzenden, Herrn Horn, das Mitglied Pg. Peters, Wilhelm, Garten Nr. 116, bestellt wurde. Derselbe übernimmt den Vorsitz.“ (16.07.1935, PB I, S. 3)

Abschrift Hauptakte (1951): „Abschrift! für die neu anzulegende Hauptakte des Kleingartenvereins Mutterkamp e. V.“ Ohne namentlich gekennzeichnete:n Autor:in. [vermutlich W. Peters]. Typoskript. 4 Seiten. Rücklaufend nummeriert, hier S. 6, nach lf. Zählung S. 1. Archiv KGV Mutterkamp. (Abschrift Hauptakte, 1951)
Abschrift Hauptakte (1951): „Abschrift! für die neu anzulegende Hauptakte des Kleingartenvereins Mutterkamp e. V.“ Ohne namentlich gekennzeichnete:n Autor:in. [vermutlich W. Peters]. Typoskript. 4 Seiten. Rücklaufend nummeriert, hier S. 6, nach vorlaufender Zählung S. 1. Archiv KGV Mutterkamp. (Abschrift Hauptakte, 1951)
Abschrift Hauptakte (1951): „Abschrift! für die neu anzulegende Hauptakte des Kleingartenvereins Mutterkamp e. V.“, hier S. 5, nach lf. Zählung S. 2. Archiv KGV Mutterkamp.

Werden Inhaber eines Amts in der NSDAP von der Gemeinschaftsarbeit im Gartenverein freigestellt?

„Pg.“ steht für Parteigenosse und es ist zu fragen, ob eine Parteizugehörigkeit zur NSDAP dahingehend „privilegierte“, keine „Pflichtarbeit“ leisten zu müssen. Die Niederschrift zur Jahresversammlung „in der Aula der Hoffmannschule“ vom 12. April 1942 deutet dies an: „Verschiedenes. Die Gemeinschaftsarbeit soll durchschnittlich 8 Std. betragen. Nichtbeteiligung erfordert einen Betrag von 1,- RM pro Stunde. Parteigenossen werden berücksichtigt, sobald sie ein Amt in der Partei haben.“ (12.04.1942, PB I, S. 32–34, hier S. 33) Im Protokoll zur „Sitzung des Gesammt-Vorstandes einschließlich der Gangobleute im Vereinslokale Mutterkamp“ steht: „Erinnert wird an die Pflichtarbeit, an die Beachtung der Anschlagkästen und das Tragen der Abzeichen.“ (28.08.1943, PB I, S. 37–38, hier S. 38) Damit müssen wohl die Parteiabzeichen der NSDAP gemeint sein (vgl. auch Bein 1988).

Gfr. Peters zeichnet als Vorsitzender des Vorstands jedenfalls die Protokolle vom 17. Mai 1935; 16. Juli 1935; 2. August 1935; 15. Oktober 1935; 13. November 1935 und 11. Januar 1936 ab. Dann löst ihn Albert Rünger, Nr. 103, als Vorsitzender ab. Von Hermann Horn ist in den Abschriften nach Juli 1935 ff. nichts mehr zu lesen. Um welche private Person mag es sich gehandelt haben? Das Braunschweiger Adressbuch listet drei Hermann Horns auf: einen Amtsgehilfen aus dem Rosental 12, einen Bäckermeister aus der Sieglindstraße 19 und einen Maschinensetzer aus der Karlstraße 40 (Braunschweigisches Adreßbuch 1935, S. 150).

Abschrift Hauptakte (1951): „Abschrift! für die neu anzulegende Hauptakte des Kleingartenvereins Mutterkamp e. V.“, hier S. 4, nach lf. Zählung S. 3. Archiv KGV Mutterkamp.
Abschrift Hauptakte (1951): „Abschrift! für die neu anzulegende Hauptakte des Kleingartenvereins Mutterkamp e. V.“, hier S. 4, nach lf. Zählung S. 3. Archiv KGV Mutterkamp.
Abschrift Hauptakte (1951): „Abschrift! für die neu anzulegende Hauptakte des Kleingartenvereins Mutterkamp e. V.“, hier S. 3, nach lf. Zählung S. 4. Archiv KGV Mutterkamp.
Abschrift Hauptakte (1951): „Abschrift! für die neu anzulegende Hauptakte des Kleingartenvereins Mutterkamp e. V.“, hier S. 3, nach lf. Zählung S. 4. Archiv KGV Mutterkamp.

„befremdende Behauptung“: 1935 angelegte Hauptakte ist 1947 nicht mehr vorhanden.

Wilhelm Peters, Kriminalobersekretär im Ruhestand (vgl. Vereinsregister 1951), steht dem KGV Mutterkamp nicht nur 1935–1936 vor, sondern auch 1951–1953 und zeichnet dementsprechend weitere Protokolle ab dem 18. Februar 1951 ab. Was bedeutet dieser Umstand für die notwendige Entnazifizierung des Gartenvereins Mutterkamp? Sie wurde „parallel“ bis 1950 „[u]nter dem Stichwort ,reeducation‘“ durchgeführt (Hauptmeyer 2004, S. 126) – also gleichzeitig zum erst entstehenden Land Niedersachsen, das erst konstituiert werden musste. Als deutsche Spruchkammern in den drei westlichen Besatzungszonen zuständig wurden für die Entnazifizierung, diese Aufgabe also von den Besatzungsmächten übernahmen, „gab es in vielen Fällen ein gegenseitiges Reinwaschen (,Persilschein‘), zumal sich rasch zeigte, dass auf Fachkräfte, die dem alten Regime gedient hatten, nicht verzichtet werden konnte.“ (Hauptmeyer 2004, S. 126)

Quellen:

  • Protokollbuch I (1935–1962): Schrebergartenverein Mutterkamp 1935–1962. Handschriftliches Manuskript / Transkription. Archiv KGV Mutterkamp, 192 Seiten. (PB I)
  • Bein, Reinhard (1988) (Hrsg.): Juden in Braunschweig 1900–1945. Materialien zur Landesgeschichte. 2. neu zusammengestellte u. erw. Aufl. für die Ausstellung ,Alijah – Braunschweiger Juden emigrieren nach Palästina‘ vom 23.10.1988–12.11.1988. Veranstalter: Gymnasium Neue Oberschule und Deutsch-Israelische Gesellschaft Braunschweig.
  • Braunschweigisches Adreßbuch (1935): Braunschweigisches Adreßbuch 1721 ff. Meyer-Verlag. Online: https://leopard.tu-braunschweig.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dbbs_derivate_00041909/2237-1937.pdf, S. 69, 99, 114, 150 [06.10.2023]
  • Amtsgericht Braunschweig (05.03.1951): Amtsgericht 36 V.R. 744. Eintrag ins Vereinsregister. 1 Seite. Archiv KGV Mutterkamp. (Eintrag Vereinsregister, 1951)
  • Hauptmeyer, Carl-Hans (2004): Niedersachsen. Landesgeschichte und historische Regionalentwicklung im Überblick. Hrsg. von der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung (NLPB). Oldenburg: Isensee. Online: https://www.niedersachsen.de/download/13404/Niedersachsen_-_Landesgeschichte_und_historische_Regionalentwicklung_im_Ueberblick.pdf [15.12.2023]