Nr. 046: Zur Steigerung der Ertragsergebnisse: Fachberatung und Schulungswesen
Der Vereinsschriftführer stellt im September 1935 (zwar) „sein Amt wegen Überlastung zur Verfügung“. Doch eben jener ist spätestens ab November 1936 als Sach- und Fachberater tätig.
Ab September 1935 gibt Gartenfreund („G. F.“) Funccius sein Amt als Vereinsschriftführer an Werner Bente, Nr. 88, ab und – engagiert sich weiter. „In der Versammlung am 11. September [1935] wurde für den bisherigen Schriftführer Funccius, der sein Amt wegen Überlastung zur Verfügung gestellt hatte, der Gartenfreund Bente zum Schriftführer bestimmt.“ (Abschrift Hauptakte, 1951, S. 2) Spätestens ab November 1936 ist Funcciusʼ folgendes Amt – bzw. nach NS-Sprache: „Organisation“ – protokollarisch festgehalten: „G. F. Funccius ist Sach- und Fachberater der Kolonie.“ (23.11.1936, PB I, S. 18–19, hier S. 18). Im Zusammenhang damit ist im März 1937 von einem konkreten „To-do“ zu lesen: „G. F. Funccius soll aufgefordert werden, für das regelmäßige Bespritzen der Bäume zu sorgen.“ (08.03.1937, PB I, S. 19–21, hier S. 21)
Rückschau in die 1920er Jahre: Nachdem „Fachberatung“ als Begriff geprägt wurde, entstand daraus ein Markt – von der Infobroschüre bis zur Produktpräsentation.
„Fachberatung“ war als Begriff erst in den 1920er Jahren gebräuchlich geworden und verknüpft sich mit einem bunten Strauß an Veröffentlichungen von Lichtbildreihen über Vorlagenmappen bis hin zu Ratgeberbüchern, Zeitschriften und dem angeleiteten Austausch unter Kleingärtnernden. Als sich 1921 der „Reichsverband der Kleingartenvereine Deutschlands“ gebildet hatte, beflügelten verbandliche Treffen, Veranstaltungen, Schulungsprogramme, Mustergärten und Zentralschulgärten Kleingärtnernde zu einer Zielgruppe am Markt und förderten durchaus ihre Kaufkraft zutage. Gärtnereien oder Firmen wie Baumschulen hielten thematisch einschlägige Vorträge, führten Zubehör ganz praktisch vor und eben nicht ganz uneigennützig. Werbeanzeigen in Verbandszeitschriften erschienen überzahlreich und Werbekataloge blühten (vgl. BDG 2021, S. 58–65).
Schulung in den 1930er Jahren: Indoktrination
Die Fachberatung geht in den 1930er Jahren wiederum mit Indoktrination einher, denn das NS-Regime errichtet ab 1933 einen „bis ins kleinste durchorganisierten Schulungsapparat“: „In jeder Landes- und Provinzgruppe wurde für die Fachgebiete Gartenbau und Kleintierzucht sowie Vogelschutz und Pflanzenschutz je ein besonderer Landes- und Provinzgruppenschulungsleiter ernannt“, der die Aufgabe hat: „1. die Stadtgruppenschulungsleiter und Vereinsobleute für Gemüsebau, Kleintierzucht, Pflanzenschutz usw. auszubilden, 2. die Tätigkeit der obengenannten Unterschulungsleiter zu überwachen.“ (Kaiser 1936, S. 200)
Schulung nicht zum Selbstzweck, sondern um die „Volksernährung aus der eigenen Scholle“ sicherzustellen
Bereits seit 1934 ist das Schulungswesen bewusst ausgebaut worden, was ein Monatsblatt folgendermaßen erklärt: „Warum Schulung? Wie zu jedem Handwerk eine sachgemäße Ausbildung gehört, so auch zum Siedeln und Bebauen des Kleingartenlandes, das kann nur durch Schulung erreicht werden. Sie darf nicht Selbstzweck werden, sondern muß Mittel zum Zweck und ein wichtiger Faktor für die Sicherstellung der Volksernährung aus der eigenen Scholle sein. Die Schulung soll dem Kleingärtner und Kleinsiedler Gelegenheit geben, sich über zweckmäßige Bewirtschaftung seines Gartenlandes, sowie die Durchführung seiner Kleintierzucht und Haltung zu unterrichten, damit er die höchsten Erträge aus seiner Scholle und Tierhaltung herausholt. Diese produzierten Lebensmittel soll er seinem eigenen Haushalt zuführen; er soll nicht als Konkurrenz des Bauern auftreten und auf dem Markt verkaufen.“ (zit. nach BDG 2021, S. 77, S. 233, gesperrt im Original)
Quellen:
- Abschrift Hauptakte (1951): „Abschrift! für die neu anzulegende Hauptakte des Kleingartenvereins Mutterkamp e. V.“ Ohne namentlich gekennzeichnete:n Autor:in. [vermutlich W. Peters]. 4 Seiten. Archiv KGV Mutterkamp. (Abschrift Hauptakte, 1951)
- Protokollbuch I (1935–1962): Schrebergartenverein Mutterkamp 1935–1962. Handschriftliches Manuskript / Transkription. Archiv KGV Mutterkamp, 192 Seiten. (PB I)
- BDG / Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e. V. (2021) (Hrsg.): Die ersten 100 Jahre. Die Verbandsgeschichte des deutschen Kleingartenwesens. Von Catharina Paetzelt. Berlin 2021.
- Kaiser, Hans (1936): Aufgaben und Arbeiten des Reichsbundes der Kleingärtner und Kleinsiedler Deutschlands (Auszüge). In: BDG / Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e. V. (1996) (Hrsg.): Kleingärten und Kleingärtner im 19. und 20. Jahrhundert. Bilder und Dokumente. Von Günter Katsch und Johann B. Walz. Herausgegeben vom Bundesverband Deutscher Gartenfreunde anläßlich des 75. Jahrestages der Gründung des Reichsverbandes der Kleingartenvereine Deutschlands 1921. 2. Aufl. Leipzig, S. 199–202.
- Ostpreußischer Kleingärtner und Kleinsiedler (1937): Warum Schulung. 13. Jg., S. 5. Zitiert nach: BDG / Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e. V. (2021) (Hrsg.): Die ersten 100 Jahre. Die Verbandsgeschichte des deutschen Kleingartenwesens. Von Catharina Paetzelt. Berlin 2021, S. 77, S. 233.