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Nr. 040: Mehr Kündigungsschutz erst nach 1939

Nr. 040: Mehr Kündigungsschutz erst nach 1939

In der NS-Zeit erfolgen zahlreiche Kleingartenlandkündigungen. Relativ wenige Kleingärten entstehen neu. Dauerkleingärten gelten als wichtig. Doch Wohnungen, Straßen und Militärbauten gelten als wichtiger.

Sind ca. 999 neue Parzellen in ca. 17 neuen Kleingartenvereinen für die Zeit der 1930er Jahre viel? (vgl. Zahlen nach Klaffke 1974, S. 74–80 – es werden tatsächlich mehr Parzellen gewesen sein!) Hat das NS-Regime das Kleingärtnern unterstützt oder gefördert? Dies ist eher nicht der Fall (vgl. BDG 1996), denn zwar betonte der dt. Kleingärtner- und Kleinsiedlerreichsbund „immer wieder die Wichtigkeit von Dauerkleingärten. Doch weder die dauerhafte Einrichtung neuer Gartenanlagen noch die ausreichende Beschaffung von Ersatzland konnte erreicht werden. Zahlreiche Kleingartenanlagen wurden im Zuge von Wohnungs- und Straßenbauvorhaben oder zugunsten der Errichtung von Militärbauten aufgelöst.“ (BDG 2021, S. 77) Ehe der „Reichsbund der Kleingärtner und Kleinsiedler Deutschlands e. V.“ wiederum in den „Reichsbund Deutscher Kleingärtner“ (RDK) übergegangen war, wies er Ende 1938 insgesamt 839.559 Mitglieder aus. Doch dies hatte wohl damit zu tun, dass annektierte österreichische Kleingärtnernde sowie – zwangsangegliedert(e) – Kleintierzüchter, Reichsbahnlandwirte und Siedlerbundmitglieder mitgezählt worden waren (vgl. auch Stein 2007, S. 39).

Festtagswimpel
Festtagswimpel (1960): 25 Jahre Kleingarten-Verein Mutterkamp e. V. 11.–12. Juni 1960. Archiv KGV Mutterkamp e. V. Foto: Archiv KGV Mutterkamp e. V.

Die Zahl der Kleingärten geht in der NS-Zeit erheblich zurück.

Es gilt also: „Die beeindruckenden Mitgliederzahlen [im RDK] dürfen jedoch nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, daß in den ersten Jahren des [,]Dritten Reiches[‚], allein im Jahre 1938, 63970 Kleingartenlandkündigungen erfolgten. In keinerlei Verhältnis dazu stand die Zahl von neu errichteten Kleingärten, die relativ gering war. Insgesamt ist in der NS-Zeit die Zahl der Kleingärten erheblich zurückgegangen.“ (BDG 1996, S. 47) Ein anderes Verständnis, wie wichtig Selbstversorgergärten sind, kommt (erst) auf, als Erträge aus Kleingärten nach 1939 zwingend nötig wurden, um die Bevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen.

Mehr Kündigungsschutz – erst nach 1939 und nach 1944

Der „Reichsbund Deutscher Kleingärtner“ (RDK) folgte 1938 wie gesagt auf den „Reichsbund der Kleingärtner und Kleinsiedler Deutschlands e. V.“ von 1933 und verlautbarte sogar offiziell: Kleingartenflächen waren zwischen 1933 und 1938 gesetzlich zu wenig geschützt. Es gab unberechtigte Kündigungen. Die Städte hatten den Bedarf an Kleingartengelände also gar nicht zu decken vermocht, woraufhin ein enormer Rückgang an Kleingärten stattfand (vgl. BDG 1996, S. 48). Nach 1939 durften Kleingartenanlagen dann nur noch für Zwecke der „Reichsverteidigung“ gekündigt werden und im März 1940 wurde eine „Brach- und Grabelandaktion“ gestartet (BDG 1996, S. 77).

In den 1940er Jahren: Ernte aus der Kleingärtnerei wichtig für die Bevölkerung

Im Dezember 1944 trat als notwendige Kriegsfolge eine Kündigungsschutzverordnung in Kraft, die abgewandelt bis 1979 galt (vgl. BDG 1996, S. 48). Wichtige Erkenntnisse zum Kleingartenwesen in den 1940er Jahren: „Der Beitrag der Kleingärten zur Versorgung der Bevölkerung war durch die Kriegsereignisse in einem gewissen Maße zu einer Existenzfrage des Staates geworden. Außerdem dienten die Lauben auf den Gärten vielen ausgebombten Menschen in den Städten als Notunterkunft und waren damit unzähligen vom Luftkrieg heimgesuchten Menschen oft zur einzigen Überlebensmöglichkeit geworden.“ (BDG 1996, S. 48)

Aktendeckel mit Aufkleber (1985): „50 Jahre Kleingärtnerverein Mutterkamp e. V.“ Archiv KGV Mutterkamp e. V. Foto: Archiv KGV Mutterkamp e. V.

Quellen:

  • Klaffke, Kaspar (1974): Kleingärten. Analyse des Braunschweiger Kleingartenwesens. Braunschweig: Stadt Braunschweig, hier „Tab. 8.2 Verzeichnis der Kleingartenanlagen in der Stadt Braunschweig nach Name des Vereins, Organisation, Gründungsjahr, Anzahl der Parzellen und Flächengröße sowie verschiedenen anderen für die Planung wichtigen Strukturmerkmalen“, S. 74–80
  • BDG / Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e. V. (1996) (Hrsg.): Kleingärten und Kleingärtner im 19. und 20. Jahrhundert. Bilder und Dokumente. Von Günter Katsch und Johann B. Walz. Herausgegeben vom Bundesverband Deutscher Gartenfreunde anläßlich des 75. Jahrestages der Gründung des Reichsverbandes der Kleingartenvereine Deutschlands 1921. 2. Aufl. Leipzig.
  • BDG / Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e. V. (2021) (Hrsg.): Die ersten 100 Jahre. Die Verbandsgeschichte des deutschen Kleingartenwesens. Von Catharina Paetzelt. Berlin.
  • Stein, Hartwig (2007): Chronik 1907–2007. 100 Jahre Landesbund der Gartenfreunde in Hamburg e. V. Online: https://www.gartenfreunde-hh.de/downloads/39/Chronik_1907_2007.pdf?1401712964 [12.10.2023]