Nr. 034: Städtische Auflagen gilt es zu erfüllen
Das Hochbauamt verpflichtet die Kleingärtnernden von der Heinrichstraße, „Richtlinien“ auf dem Mutterkamp-Gelände zu beachten. Stadtverwaltung macht Auflagen – von den Zäunen bis zur Gestaltung und Ausrichtung der (Vor-)Lauben.
Die BLZ vermeldete, dass am 16. März 1935 die „Vergebung der Gärten“ wie auch die „Bekanntgabe der Bedingungen usw.“ erfolgen sollten (BLZ 13.03.1935). Die im Jahr 1951 rekonstruierten Unterlagen aus dem März 1935 (4. März 1935; Richtlinien 1935) legen nahe, dass die in der NS-Zeit aufstrebende Stadt Braunschweig durchaus versucht hat, auf dem Mutterkamp eine mustergültige Kleingartenkolonie „auf dem Reißbrett“ zu entwickeln. Wie kommt es dann zu Hans Bohnhorsts Fazit von einer „gewachsenen Kolonie“? (Bohnhorst 1985b, S. 4) Das städtische Hochbauamt macht immerhin genaue Auflagen: „Die Stadt ist Eigentümerin des für die Gartenkolonie Mutterkamp bereitgestellten Geländes. Sie betrachtet diese Kolonie als Dauerkolonie und als Teilstück des großen Grüngürtels im Osten der Stadt. Sie legt deshalb Wert darauf, daß die Gärten in einheitlicher und geordneter Anlage ausgeführt und erhalten werden, und hat zu diesem Zwecke der Landesgruppe der Kleingärtner und Kleinsiedler, als der Generalpächterin des Geländes die Beachtung der folgenden Richtlinien zur Pflicht gemacht.“ (Richtlinien 1935, S. 1)
Äußere und innere Einfriedung aus Maschendraht
Die Stadtverwaltung verlangt unter „I. Einfriedungen“ eine äußere Umzäunung der Kolonie mit dem Baustoff Maschendraht, Höhe 1,50 Meter und ergänzt: „Die Zäune sind möglichst durch Sträucher und dergleichen abzupflanzen.“ (Richtlinien 1935, S. 1) Es bedarf auch „Innere[r] Einfriedungen“, nämlich an den Wegen, und zwar aus Maschendraht in einer Höhe von 1 Meter, und zwischen den Gärten: „Baustoff: Bleibt freigestellt.“ Gleichfalls „freigestellt“ bleibt die Bepflanzung der Gärten – wenn auch mit dem Zusatz „im übrigen“ freigestellt, denn alle haben neben jeder Laube einen „Hochstamm (Obst- oder sonstiger Laubbaum) zu pflanzen“ (Richtlinien 1935, S. 2).
Lauben sollen keine Massivbauten sein – ab 1943: massiv
Unter „II.) Lauben“ ist zu lesen, dass diese inklusive „Vorlaube“ – unter dem Hauptdach unterzubringender Vorlaube – nicht mehr als 15 Quadratmeter Fläche überbauen dürfen. Und heutzutage? Nach dem Bundeskleingartengesetz (1983) dürfen Gartenhäuschen größer sein: „Im Kleingarten ist eine Laube in einfacher Ausführung mit höchstens 24 Quadratmetern Grundfläche einschließlich überdachtem Freisitz zulässig; die §§ 29 bis 36 des Baugesetzbuchs bleiben unberührt. [Die Gartenlaube] darf nach ihrer Beschaffenheit, insbesondere nach ihrer Ausstattung und Einrichtung, nicht zum dauernden Wohnen geeignet sein.“ (BKleingG (1983) § 3 Kleingarten und Gartenlaube, Abs. 2, vgl. LSK 2024)
Lauben inkl. „Vorlaube“ nicht mehr als 15 qm – heute: nicht mehr als 24 qm
Den Richtlinien von 1935 des städtischen Hochbauamts nach müssen Lauben aus Holz sein, müssen eine „senkrechte Verbretterung mit Leisten“ haben und dürfen keine Massivbauten sein. Diese Vorgabe wird sich wohl aufgrund der zeithistorischen Umstände des Zweiten Weltkriegs ändern. Nach Deutschlands Angriffskrieg mit Beginn 1939 ist für den März 1943 nämlich protokolliert: „Gebaut werden darf in Zukunft nur noch massiv lt. Vorschrift des Bürgermeisters. Es ist auf jeden Fall vorher Rücksprache mit dem Vereinsleiter zu nehmen.“ (07.03.1943, PB I, S. 35–36, hier S. 36) Wer amtiert im März 1943 als Bürgermeister? Seit 1943 und „seit Einberufung von Dr. Hesse [NSDAP] zum Frontdienst“ war bis zum 11. April 1945 H.-J. Mertens (NSDAP) Braunschweigs Bürgermeister (Stadt Braunschweig 2023a).
Quellen:
- BLZ (Braunschweigische Landeszeitung) (13.03.1935): „Eine neue Kleingarten=Kolonie“. Nachabdruck. Archiv KGV Mutterkamp.
- Städtisches Hochbauamt Braunschweig (März 1935): „Richtlinien für die Einrichtung der Kleingärten im Mutterkamp“. 2 Seiten. Archiv KGV Mutterkamp. (Richtlinien 1935)
- Lageplan „KLEINGÄRTEN IM MUTTERKAMP“, verm. 1935. Archiv KGV Mutterkamp. (Lageplan 1935)
- Bohnhorst, Hans (1985b): 50 Jahre Kglv. Mutterkamp. Liebe Gartenfreundinnen, liebe Gartenfreunde, liebe Gäste. Handschriftliche Notizen zum 50-jährigen Vereinsjubiläum, S. 1–6. Archiv KGV Mutterkamp.
- Landesverband Sachsen der Kleingärtner e. V. (LSK) (2024): Bundeskleingartengesetz (BKleingG). Vom 28. Februar 1983 (BGBl I S. 210), zuletzt geändert durch Art. 11 des Gesetzes vom 19. September 2006 (BGBl I S. 2146). Online: https://www.lsk-kleingarten.de/bundeskleingartengesetz-bkleingg/ [11.01.2024]
- Protokollbuch I (1935–1962): Schrebergartenverein Mutterkamp 1935–1962. Handschriftliches Manuskript / Transkription. Archiv KGV Mutterkamp, 192 Seiten. (PB I)
- Stadt Braunschweig (2023a): Braunschweigs Oberbürgermeister und Oberstadtdirektoren. Online: https://www.braunschweig.de/leben/stadtportraet/geschichte/ob-historie/obm_liste.php [04.12.2023]