Nr. 031: Ist der Vorläuferverein an der Heinrichstraße 1920 entstanden?
Zum 25-jährigen Jubiläum des Gartenvereins Mutterkamp im Jahr 1960 werden 9 Gartenfreundinnen und 19 Gartenfreunde geehrt. Für ihre 25-jährige Vereinsmitgliedschaft. Ist ja klar, wenn ein Verein seinen 25. Geburtstag feiert. – Aber: Es werden auch 7 Gartenfreundinnen und 7 Gartenfreunde geehrt, „die länger im Kleingarten wirtschaften“, nämlich seit 40 Jahren. – Oha. – Fazit: Der Kleingartenverein Heinrichstraße muss sich im Jahr 1920 gegründet haben! Oder?!
Die Festschrift „25 Jahre Gartenverein Mutterkamp 1960“ enthält eine „Ehrentafel“ (Festschrift 1960/ 25 Jahre, S. 3). Unter einem Kränzchen mit der Zahl „25“ sind die Namen von 19 Gartenfreunden und 9 Gartenfreundinnen zu lesen. In Klammern sind die (vermutlich) zugehörigen Parzellennummern ergänzt: Karl Sauthoff (Nr. 3), Marie Rautmann (4), Johanne Fischer (5?, 15?), Otto Steinhoff (8), Heinrich Gramann (11), Heinrich Fricke (20?, 35?, 85?), Hedwig Warnecke (30), Otto Hoffmeister (32), Oskar Stöfer (34), Walter Peinemann (36), Anna Schirmer (42), Henry Beyer (47), Otto Ulrich (48), Frieda Effinghausen (49), Ernst Körner (71), Willi Hacke (78), Gerhard Hopstock (81), Elfriede Schab (82), Wilhelm Klie (96), Elise Stock (98), Adele Koch (100), Emil Schuster (101), Else Rickel (102), Albert Rünger (103), Hermann Beese (105), Heinrich Vogeley (115), Walter Matthes (?) und Rudolf Schneider (?, ist gemeint: Schreier, Nr. 86?).
Häufige Familiennamen – Adele Koch von Nr. 100 und Wilhelm Koch von Nr. 59
Ich orientiere mich anhand der „Abschrift! Namen der Gründungsmitglieder der Kleingarten-Kolonie Mutterkamp“ (Abschrift Gründungsmitglieder, 1951) nur am gleichen Nachnamen. Häufige Familiennamen kommen also mehrfach vor. 1935 hatten 3x Familie Müller, 3x Fricke, 2x Fischer, 2x Ehlers, 2x Meyer, 2x Koch im neuen Gartenverein zu kleingärtnern begonnen. Mit „Herrn oder Frau Koch“, im Jahr 1960 für 25 Jahre Mitgliedschaft geehrt, ist ganz konkret Adele Koch von Nr. 100 gemeint. Adele Koch bewirtschaftete im Übrigen auch die Vereinskantine ab dem 1 September 1951 bis ins Frühjahr 1955. Im Gegensatz zu Adele Koch in Nr. 100 muss Wilhelm Koch in Nr. 59 gegärtnert haben, allerdings im Jahr 1960 eben nicht „nur“ seit 25 Jahren, sondern schon seit 40 Jahren (!), denn …
Kränzchen mit der Zahl „40“
Noch spannender für diesen historischen Blog sind die 14 in der Festschrift von 1960 geehrten „Gartenfreunde[,] die länger im Kleingarten wirtschaften“ und unter einem Kränzchen mit der Zahl „40“ stehen (Festschrift 1960/ 25 Jahre, S. 3). Dies muss bedeuten, dass sie seit 1920 aktiv gewesen waren. Im Einzelnen zu nennen: Theo Rickmann (Nr. 17), Käthe Lampert (?27; in der Abschrift 1935/1951 mit einem „B“: Lambert), die Geschwister Dahlgrün (38), Else Lindemann (39), Walter Herpin (40), Wilhelm Schoppe (53), Pauline Hampe (60), Dora Trinks (64), Wilhelm Koch (59), Anna Stucke (61), Karl Seeliger (73) und Hedwig Seeliger (92). Nicht verifizieren lassen sich anhand der Liste der Gründungsmitglieder (1935/1951) diese beiden im Jahr 1960 geehrten Personen: Franz Willke und Heinrich Wassermann – Gfr. Wassermann wird ein sehr früher Nachfolger von Gfr. Lüddecke sein, welcher im Gründungsjahr 1935 den Garten mit der Nr. 24 gepachtet hatte.
1975 zum 40-jährigen Vereinsjubiläum erneut geehrt für 40-jährige Vereinsmitgliedschaft?! – Warum nicht für 55-jähriges Kleingärtnern?!
Verwirrenderweise ehrt die „Ehrentafel“ auf dem Faltblatt von 1975 anlässlich des 40. Vereinsgeburtstags (Faltblatt 1975 / 40 Jahre) erneut die Geschwister Dahlgrün (Nr. 38) und Dora Trinks (Nr. 64) wiederum für 40-jähriges Kleingärtnern. Hätten Amelie und Nina Dahlgrün sowie Dora Trinks im Jahr 1975 (inzwischen) nicht für ihr 55-jähriges Wirken im Kleingartenwesen geehrt werden müssen? Die weiteren zehn „Gartenfreunde, die seit 1935 einen Garten im Kleingartenverein Mutterkamp bewirtschaften“, sind: Heinrich Gramann (11), Anna Fricke (Nr. 20?, 35?, 85?), Emma Peinemann (36), Anna Schirmer (42), Martha Ulrich (48), Frieda Effinghausen (49), Gerhard Hopstock (81), Elfriede Schab (82), Adele Koch (100) und Wilhelm Abel (114).
Vorläuferkolonie gründet sich 1907 – „Pächtergemeinde“ besteht aus „Hand- und Kopfarbeitern“
Über den Vorläufer informiert „Vereinsführer“ Richard Geibel am 23. April 1934 den damaligen Oberbürgermeister Dr. Wilhelm Hesse, um sich bei ihm über die Kündigung des gepachteten Geländes zu beschweren. Eine „Pächtergemeinde“ aus „Hand- und Kopfarbeitern“ hatte sich seit 1907 auf einem Gebiet von 3,1 Hektar zwischen dem Franzschen Felde und dem sog. Adamsgraben zusammengefunden, um letztlich in 168 Kleingärten zu gärtnern. „Wir bearbeiten unser Stückchen Land als Regierungsrat oder Schlosser, neben der Witwe des Geheimrats gräbt der arbeitslose Volksgenosse.“ (Rückfrage zur Kündigung und Bitte um Ausgleichsfläche, April 1934, Seite 1)
Zementwarenfabrikant Richard Maring verpachtete das Gelände, bis dessen Erbengemeinschaft das Gelände im Mai 1923 zur Zeit der Inflation verkaufen musste. Dachdeckermeister Friedrich Fricke kaufte das Grundstück und wurde neuer Verpächter. Bereits seit 1900 soll der Bebauungsplan das zu Gliesmarode gehörende „Fricke’sches Gelände“ zu Baugelände bestimmt haben, so antwortet die Stadtverwaltung an Richard Geibel am 25. April / 8. Mai 1934 (Freigabe Grundstück Fricke für Bebauung, keine Ausweisung als Dauergrünfläche aus Kostengründen, April/Mai 1935, Seite 1).
Quellen:
- Festschrift (1960): „25 Jahre Gartenverein Mutterkamp. 1960“. 8 Archiv KGV Mutterkamp. (Festschrift 1960)
- Peters, Wilhelm (1951b): „Abschrift! Namen der Gründungsmitglieder der Kleingarten-Kolonie Mutterkamp“. Archiv KGV Mutterkamp. 1 Seite. (Abschrift Gründungsmitglieder, 1951)
- Faltblatt (1975): „Gartenverein Mutterkamp e. V. 1935–1975“. [Im Vorstand sind 1975: Hans Bohnhorst, Julius Zachrau, Friedrich Bohrmann, Ursula Mahlfeld.] Archiv KGV Mutterkamp. (Faltblatt 1975 / 40 Jahre)
- Geibel, Richard (23.04.1934): „Schrebergartenverein Heinrichstraße. Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Liegt nun ein dringendes Bedürfnis vor?“ Typoskript. Stadtarchiv Braunschweig: Signatur E 66: 414; 3 Seiten. (Rückfrage zur Kündigung und Bitte um Ausgleichsfläche, April 1934)
- G 2/Stadt Braunschweig (26.04.1935): 1) Vermerk. 2) Herrn Stadtbaurat Gebensleben vorlegen. Typoskript. Stadtarchiv Braunschweig: Signatur E 66: 414; 2 Seiten. (Veräußerung von städtischem Gelände am Franzschen Feld zur Bebauung und Erschließung des Fricke’schen Geländes, April 1935)
- C 2/Rbm.Dir./My. (25.04.1934/08.05.1934): 1) An den Schrebergartenverein Heinrichstrasse, z. Hd. Des Herrn Richard Geibel, hier. Kl. Campestrasse 9. Typoskript. Stadtarchiv Braunschweig: Signatur E 66: 414; 1 Seite. (Freigabe Grundstück Fricke für Bebauung, keine Ausweisung als Dauergrünfläche aus Kostengründen, April/Mai 1935)