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Nr. 030: Flachsanbau statt Spielplatz

Nr. 030: Flachsanbau statt Spielplatz

Der Spielplatz am Vereinsheim durchlebt Entwicklungen – Anbaustätte für „deutschen Ölsaatenanbau“ – Aufteilung zur Bepflanzung allgemein – Brache – Blumen statt Gemüse – KGV als „kleines Bullerbü“ und jeden Freitag Kindernachmittag …

Spielräume für Kinder hatten in der Gründungszeit des KGV Mutterkamp einen anderen Stellenwert als heute. Folgende Notiz vom Januar 1936 veranschaulicht dies: „Antrag Lindemann [Garten-Nr. 39], den Spielplatz vorläufig mit Flachs für die Hitlerspende zu bebauen. Der Vereinsführer will den Antrag als Anregung aufnehmen.“ (11.01.1936, PB I, S. 12–14, hier S. 13) Wenn Flachs bzw. Linum usitatissimum, also der Gemeine Lein, geerntet worden wäre, hätte dies in die staatlich gelenkte „Förderung des deutschen Ölsaatenanbaues“ ab 1933 gepasst. Wuchs der Flachs gut/schlecht? Bedurfte es keiner weiteren „Spende der deutschen Wirtschaft“? Es lässt sich nicht ergründen, Aktionsprogramme wechselten rasch aufeinander. Aus dem Protokoll vom März 1937 geht hervor: „Der Spielplatz soll vorläufig zur Bepflanzung aufgeteilt und an Gartenfreunde vergeben werden. Refliktanten [Interessenten] mögen sich beim Vereinsführer melden.“ (08.03.1937, PB I, S. 19–21, hier S. 20, unterstrichen im Original)

„Der Vorstand bittet um zahlreiche Blumenspenden. Abzugeben im Vereinsheim am 15. 9. Bis 13.00 Uhr.“ Der Kleingartenverein Mutterkamp e. V. zählt zu den Mitwirkenden des Stadtpark-Stadtteilfests am 15. September 1984, veranstaltet vom Bezirksrat „Stadtpark“. Das Fest startet um 11 Uhr mit einem Frühschoppen. Es spielt AKA-BLAS. Um 14 Uhr folgt ein fröhlicher Markt. Um 14.30 Uhr findet am Freie-Turner-Stadion ein Kinderfest statt, ehe um 18 Uhr die Siegerehrung im Fußball-Schießen und Volkskönigschießen folgt. Ab 20 Uhr spielen die RED ONIONS. Foto: Archiv KGV Mutterkamp e. V.
„Der Vorstand bittet um zahlreiche Blumenspenden. Abzugeben im Vereinsheim am 15. 9. Bis 13.00 Uhr.“ Der Kleingartenverein Mutterkamp e. V. zählt zu den Mitwirkenden des Stadtpark-Stadtteilfests am 15. September 1984, veranstaltet vom Bezirksrat „Stadtpark“. So ist es auf einem Plakat zu lesen. Weitere Informationen: Das Fest startet um 11 Uhr mit einem Frühschoppen. Es spielt AKA-BLAS. Um 14 Uhr folgt ein fröhlicher Markt. Um 14.30 Uhr findet am Freie-Turner-Stadion ein Kinderfest statt, ehe um 18 Uhr die Siegerehrung im Fußball-Schießen und Volkskönigschießen folgt. Ab 20 Uhr spielen die RED ONIONS. Foto: Archiv KGV Mutterkamp e. V.

Zu Beginn der 1950er Jahre: Gemüse billiger geworden – Platz für Blumen

Und wieder ändert sich die Lage und das Bewusstsein dafür, Kindern und Jugendlichen „Freizeit“, Spiel und Sport gewähren zu wollen. So deutet es die Versammlungsabschrift vom Juni 1947 an: „dsgl. soll der Spielplatz in Ordnung gebracht werden[,] da ein loser Untergrund vorhanden ist.“ (01.06.1947, PB I, S. 45–46, hier S. 45 f.) Und im Januar 1949 ist notiert: „es wird der Antrag auf Aufnahme eines Sportlehrers Selter als passives Mitglied besprochen, derselbe hat die Absicht[,] unsere Jugend freiwillig zu betreuen, da in diesem Jahr die Gartenstücke vor dem Vereinsheim liegen bleiben und der Spielplatz in Ordnung gebracht werden soll[,] ist genügend Platz für die Betreuung vorhanden.“ (23.01.1949, PB I, S. 56–57, hier S. 56) Handelt es sich um einen „Denkfehler“ der KI/Transkriptionssoftware und bei Herrn Selter handelt es sich womöglich um Kurt Stelter? Der spätere Vorstandsvorsitzende (1955–1957), Gfr. Stelter, Garten-Nr. ?, war nämlich Lehrer. Seine Adresse lautete „Br.-Riddagshausen. Am Kreuzteich 6 (Schule)“ (Eintrag Vereinsregister, 1955).

Einmal „mustergültig“, immer „mustergültig“?!

Im Protokoll vom Februar 1950 heißt es daraufhin: „Das Stück Land am Vereinshaus soll besät und mit Blumen bepflanzt werden; es wird nicht mehr zum Gemüseanbau abgegeben, da dieses billiger geworden ist.“ (04.02.1950, PB I, S. 72–74, hier S. 72) Was ist letztlich aus dem Spielplatz geworden? Wie hat er sich entwickelt? Ausgerechnet der Begriff „mustergültig“ taucht dafür in einem Protokoll vom Februar 1951 auf. Verweist der Schriftführer, „Kriminalsekr. i. R. Heinrich Wassermann“ (Eintrag Vereinsregister, 1951), Garten-Nr. 24, mit diesem Ausdruck unfreiwillig auf die Vergangenheit als NS-Musterkolonie? „Der Kinderspielplatz ist mustergültig hergestellt[,] durch günstige Beschaffung der Einsaat sei der Vereinskasse die Ausgaben von etwa 100 DM. erspart geblieben.“ (18.02.1951, PB I, S. 78–81, hier S. 78)

Schielke, Gabi (2015): Kinder im Mutterkamp. In: Festschrift 2015 – 80 Jahre KGV Mutterkamp, S. 9 f. Foto: Archiv KGV Mutterkamp
Schielke, Gabi (2015): Kinder im Mutterkamp. In: Festschrift 2015 – 80 Jahre KGV Mutterkamp, S. 9 f. Foto: Archiv KGV Mutterkamp
Einladungskarte zum 20. Vereinsjubiläum (1955) und alle Festschriften zum 25. Vereinsjubiläum (1960), zum 40. Bestehen (1975), zum 50. Vereinsgeburtstag (1985), 70. Gründungsfest (2005), 75. Bestehen (2010) und 80. Vereinsjubiläum (2015). Foto: Archiv KGV Mutterkamp
Auf dem Titelblatt der Festschrift zum 70. Vereinsjubiläum im Jahr 2010 steht der Nachwuchs auf dem vereinseigenen Spielplatz im Zentrum. - Einladungskarte zum 20. Vereinsjubiläum (1955) und alle Festschriften zum 25. Vereinsjubiläum (1960), zum 40. Bestehen (1975), zum 50. Vereinsgeburtstag (1985), 70. Gründungsfest (2005), 75. Bestehen (2010) und 80. Vereinsjubiläum (2015). Foto: Archiv KGV Mutterkamp

Und heute?

Und wie leben „Kinder im Mutterkamp“ heute eigentlich? Dies verändert sich immerzu, abhängig davon, wie Vereinsmitglieder beruflich aufgestellt sich und wie/ob sie sich ehrenamtlich engagieren – im KGV bietet Tagesmutter Gabi Schielke, Garten-Nr. 19[?], Kindern ein „kleines Bullerbü“ (Dartsch 2014, Schielke 2015) und darüber hinaus regelmäßige Kindernachmittage für alle kleingärtnernden Familien, was der Vernetzung untereinander dient und wiederum die Organisation des Kindersommerfests beflügelt (hat) usw. Der dazugehörige Ehemann, Norbert Schielke, amtiert 2013 bis 2015 als Vereinsvorsitzender.

Quellen:

  • Protokollbuch I (1935–1962): Schrebergartenverein Mutterkamp 1935–1962. Handschriftliches Manuskript / Transkription. Archiv KGV Mutterkamp, 192 Seiten. (PB I)
  • Amtsgericht Braunschweig (09.02.1955): Das Amtsgericht 36 VR 744. Eintrag ins Vereinsregister. Eintrag in Band VII Blatt 144 unter Nr. 744. 1 Seite. Archiv KGV Mutterkamp. (Eintrag Vereinsregister, 1955)
  • Amtsgericht Braunschweig (05.03.1951): Amtsgericht 36 V.R. 744. Eintrag ins Vereinsregister. 1 Seite. Archiv KGV Mutterkamp. (Eintrag Vereinsregister, 1951)
  • Dartsch, Katja / BSZ (24.08.2014): „Ein bissen wie in Bullerbü. Im Kleingarten am Mutterkamp hat Tagesmutter Gabi Schielke ein kleines Paradies für ihre ,Zwerge‘ geschaffen. Wir haben sie besucht.“ Online: https://www.braunschweiger-zeitung.de/braunschweig/article151570191/Ein-bisschen-wie-in-Bullerbue.html [11.12.2023]
  • Schielke, Gabi (2015): Kinder im Mutterkamp. In: Festschrift 2015 – 80 Jahre KGV Mutterkamp. Archiv KGV Mutterkamp, 9 f.